Kooperationsveranstaltung von BKG und dem ver.di-Landesbezirk Bayern Krankenhaushausreform von den Menschen her denken – für gute Arbeit und eine gute Versorgung

Am Mittwoch, 17. April 2024, fand die Kooperationsveranstaltung von ver.di-Landesbezirk Bayern sowie der Bayerischen Krankenhausgesellschaft e.V. im Kleinen Theater in Haar statt.

Unter dem Motto „Die Krankenhaushausreform von den Menschen her denken – für gute Arbeit und eine gute Versorgung“ trafen sich namhafte Vertreter:innen aus der Politik und dem gesamten Gesundheitswesen sowie eine Vielzahl von Patientenfürsprecher:innen, Personal- und Betriebsräten und Klinikverantwortlichen zu einem Austausch und zur Diskussion über die aktuelle Situation der Krankenhausreform. Insgesamt waren ca. 150 Teilnehmende vor Ort und beteiligten sich rege an den Diskussionen und den anschließenden Workshops zu den Themen „Ballungsräume/ländliche Regionen“, „attraktive Arbeitsbedingungen“ und „ambulant-stationäre Versorger“.

Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG), Roland Engehausen, sowie der Landesfachbereichsleiter des Fachbereiches Gesundheit & Bildung von ver.di Bayern, Dr. Robert Hinke, und der Vorstandsvorsitzende der Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo), Franz Podechtl, eröffneten die Veranstaltung. Die Moderation der Veranstaltung übernahmen Christina Leinhos, stv. Geschäftsführerin der BKG und Heinz Neff, Mitarbeiter im Landesfachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft des ver.di-Landesbezirks Bayern.

Zu Beginn richtete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Grußwort per Videobotschaft an die Teilnehmenden, in dem er aus seiner Sicht die Notwendigkeit der Krankenhausreform für die Versorgung verdeutlichte. Dr. Winfried Brechmann, Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention, zeigte sich in seinem Impulsvortrag jedoch überzeugt, dass der derzeitige Entwurf des Krankenhausverbesserungsgesetzes die derzeitigen Probleme der Krankenhäuser nicht lösen wird.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde brachten Roland Engehausen, Dr. Winfried Brechmann, Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende AOK Bayern, Nadine Ortner, Vorständin der Kreisklinik Roth, Rüdiger Kindermann, Personalratsvorsitzender des Klinikums Passau, und Dr. Robert Hinke ihre Sichtweisen zur Krankenhausreform dem Publikum nahe.

Engehausen machte deutlich: „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, wie wir den Strukturwandel gestalten wollen. Mit oder ohne Gesetz. Worauf es ankommt, ist eine Entbürokratisierung und Entökonomisierung. Wir brauchen weiterhin eine Grundversorgung im ländlichen Raum und Sicherheit für alle Bürger:innen.“

Brechmann betonte, der Freistaat werde den Transformationsprozess der Krankenhauslandschaft weiter flankieren. Zum einen sei ein Förderprogramm über 100 Mio. Euro ins Leben gerufen worden, zum anderen plane man ein Bündnis für Krankenhausversorgung. Mit Blick auf den eine Woche zuvor veröffentlichten 15. Bayerischen Krankenhaustrend zeigte er sich überzeugt, die Reformpläne des Bundes würden die immensen finanziellen Probleme der Kliniken nicht lösen.

Ortner hob hervor, dass bei aller Diskussion auch die Seite der Mitarbeiter:innen Berücksichtigung finden muss. Alle Beteiligten müssten sich über den bestehenden Fachkräftemangel jetzt und in Zukunft Gedanken machen und daran arbeiten, wie zukünftig ein sinnvolles Generationenmanagement aussehen soll. Die Mitarbeiter:innen von heute und von morgen bringen neue Einflüsse in die Krankenhausversorgung. Dies sollte zwingend mitbedacht und einkalkuliert werden.

Stippler setzte ihren Fokus auf eine stärkere Ambulantisierung, bedarfsgerechten Strukturwandel und klaren Perspektiven. Aus Ihrer Sicht müssten alle Akteure sowohl ‚bottom up‘ als auch ‚top down‘ denken. Es benötige bessere Rahmenbedingungen für die Finanzierung und Es könne nicht sein, dass Bund drauf steht, aber GKV drin steckt.

Dr. Hinke betonte sein zentrales Anliegen: „Die Krankenhausplanung muss neu gestaltet und sehr viel proaktiver angegangen werden. Zu viele Variablen ändern sich, um sie unverändert fortführen zu können. Die Krankenhausplanung bleibt Ländersache und sollte in einem stärker regionalisierten Rahmen erfolgen. Dies ermöglicht es auch, Emotionen und Ängste von Bürger:innen und Beschäftigten ernstnehmend in eine sachliche Diskussion zu lenken.“

Kindermann machte deutlich, dass die Diskussion um Qualität jeden einzelnen Mitarbeiter bzw. jede einzelne Mitarbeiterin schmerze. Auch die finanzielle Diskussion des Klinikums löst bei den Beschäftigten Ängste und Sorgen aus – alle Beteiligten hängen buchstäblich am Tropf.

Im Anschluss an die Statements gab es eine Podiumsdiskussion, bei der auch Fragen aus dem Publikum Gehör und Beachtung fanden. Hier waren sich viele Teilnehmenden einig und griffen auch das Motto der Veranstaltung auf: Die Reform von den Menschen her denken. Folgende Thesen wurden aufgegriffen:

  • Kommt es zu Schließungen von Stationen oder gesamten Kliniken auf dem Land, werden die Mitarbeiter:innen eher abwandern als mit umziehen.
  • Vom geplanten Bürokratieabbau fehlt jede Spur: die Verwaltung sieht sich derzeit nur noch als Datenlieferant und kann somit ihren eigentlichen Aufgaben kaum gerecht werden.
  • Es bedarf kurzfristiger Finanzhilfen.
  • Im Bereich der Pflege sollte vor allem in die Ausbildung investiert werden, um an neuen Konzepten und verbesserten Bedingungen zu arbeiten; die Auszubildenden sind die Zukunft von morgen.
  • Es ist für kleinere Kliniken ein Schlag ins Gesicht, wenn behauptet wird, dass gute Medizin nur in den Unikliniken stattfindet.
  • Es braucht Transparenz, Klarheit und Ehrlichkeit und es geht vor allem um die Mitarbeitenden in den Kliniken; in allen Bereichen, nicht nur in der Pflege.

Abschließend formulierte das Podium Botschaften an Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Diese lauteten sinngemäß:

  • Kindermann: Wir sind enttäuscht von Ihren Versprechen zu Beginn Ihrer Amtszeit, wenn wir jetzt feststellen müssen, dass vor allem Ihre guten Vorsätze für die Pflege bis heute nicht umgesetzt wurden!
  • Brechmann: Bitte hören Sie zukünftig mehr auf die direkt Betroffenen der Reform als auf Uniprofessoren!
  • Engehausen: Die Krankenhausreform muss jetzt durchgesetzt werden, unter der Bedingung, dass die Leistungsgruppen eingearbeitet werden und die Vorhaltfinanzierung weniger Beachtung findet!
  • Ortner: Reden Sie mit den Menschen vor Ort, die die Reform letzten Endes umsetzen und gestalten müssen!
  • Stippner: Uns läuft die Zeit davon. Vertrauen Sie auf die Selbstverwaltung und hören Sie auf die Menschen vor Ort!
  • Hinke: Nehmen Sie das Personal mit und beziehen Sie bei der Strukturplanung auch die Gewerkschaften mit ein!

Nach einer kurzen Stärkung und Pause konnten sich die Teilnehmenden in drei Gruppen aufteilen, um in einem Workshop über aktuelle Themen zu diskutieren. Die Ergebnisse wurden im Anschluss dem Plenum vorgestellt.

Die erste Gruppe – moderiert von Dr. Robert Hinke und Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Leiterin der Stabsstelle Qualitätsnetzwerke der Sana Kliniken AG – behandelte das Thema „Ballungsräume/ländliche Regionen“. Trotz der knappen Zeit von 30 Minuten wurde intensiv diskutiert. Besonders hervorgehoben hat die Gruppe, dass Veränderungsprozesse gewollt und aktiv mitgestaltet werden, es jedoch klare Regelungen und einen gesetzlichen Rahmen bedarf. Insbesondere die Patientenströme müssen Beachtung finden. Die Bundesländer müssen die Planungshoheit haben, es bedarf Verbundlösungen und Regionalkonferenzen, um gute Konzepte zu erarbeiten. Die wohnortnahe Versorgung muss weiterhin gesichert sein. Es müssen klare Regelungen geschaffen werden, wie eine optimale Verlegung oder Verbringung der Patient:innen aussehen kann, damit diese genesen können.

Auch die zweite Gruppe – moderiert von Prof. Susanne Heininger, Professorin für Community Health Care an der Technischen Universität Deggendorf, und Rüdiger Kindermann – ging in einen intensiven Austausch zum Thema „attraktive Arbeitsbedingungen“. Die Gruppe versuchte zunächst best practice Beispiele zu sammeln, bei dem jede Person aus seinem persönlichen Umfeld Beispiele einbringen konnte. Hier war man sich letzten Endes einig, dass die Ausbildungsbedingungen verbessert werden müssen, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Die Leiharbeit müsse unattraktiver werden und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Wichtig wären zudem Betriebskindergärten und bessere Bedingungen für Eltern – sowohl für Väter als auch für Mütter.

Die dritte Gruppe widmete sich dem Thema „ambulant-stationäre Versorger“. Sie wurde moderiert von Geschäftsführerin Nadine Ortner und Dr. Ralf Langejürgen, Vorstandsvorsitzender des BKK-Landesverbands Bayern. Es wurde auch hier heiß diskutiert und am Ende sinnvolle Lösungswege aufgezeigt: Zum einen müssen die Finanzen geklärt sein, um dann an einer Schnittstelle zu arbeiten, wie die Nachsorge der Patient:innen sinnvoll geregelt werden kann. Hier bedarf es Kooperationen zwischen den Versorgern, um den Weitertransport und die Weiterversorgung sinnvoll sicher zu stellen. Zum Ende wurde auch noch einmal das Motto der Veranstaltung aufgegriffen: Die Reform vom Menschen her denken. Die Mitarbeiter:innen sollten im Fokus stehen. Es bedürfe flexibler Arbeitszeitmodelle und einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Engehausen und Hinke betonten zum Abschluss: „Trotz mancher inhaltlicher Differenzen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen – heute ist deutlich geworden, dass wir gemeinsame branchenpolitische Interessen teilen und zusammen für die Menschen an einer zukunftsfähigen Krankenhausversorgung arbeiten wollen.“